Ein Autor hat das Recht, nach seinen besten Werken beurteilt zu werden. Kein Autor ist vollkommen. Man muß seine Schwächen akzeptieren, sie sind oft die notwendige Ergänzung seiner Stärken, und man kann dankbar sagen, daß die Nachwelt dazu durchaus bereit ist. Sie nimmt das Gute an einem Schriftsteller und stört sich nicht an den schlechten Seiten. Zur Irritation ehrlicher Leser geht sie manchmal so weit, offensichtlichen Mängeln eine besondere Bedeutung zuzuschreiben. So kann es passieren, daß Kritiker (die ehrfurchtgebietende Stimme der Nachwelt) mit subtilen Argumenten begründen, weshalb etwas Bestimmtes in einem Shakespeare-Stück lobenswert sei, während jeder Dramatiker ihnen sagen könnte, daß dies einzig auf Hast, Unaufmerksamkeit oder Vorsatz zurückzuführen sei.
W. Somerset Maugham, Vorwort von Gesammelte Erzählungen 1+2
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Dienstag, 15. November 2011
Montag, 7. November 2011
W. Somerset Maugham übers Enden
Mit Blick auf die Rezensionen der zahlreichen Erzählbände muß ich aber sagen, daß die Kritiker irren, wenn sie Geschichten als Zeitschriftengeschichten abtun, nur weil sie gut konstruiert und dramatisch sind und ein überraschendes Ende haben. An einem überraschenden Ende ist nichts auszusetzen, wenn es der natürliche Ausgang einer Geschichte ist. Im Gegenteil, ein solches Ende ist lobenswert. Schlecht ist es nur, wenn das Ende, wie in manchen Erzählungen von O. Henry, zur Verblüffung des Lesers völlig unvermittelt daherkommt. Es schadet einer Erzählung auch nicht, wenn sie gut aufgebaut ist, einen Anfang, eine Mitte und einen Schluß hat. Alle guten Erzähler haben sich darum bemüht. Heute gilt es als modern, wenn Schriftsteller, unter dem Einfluß einer unzureichenden Bekanntschaft mit Čechov, Erzählungen schreiben, die irgendwo anfangen und wenig überzeugend enden. Manche Autoren halten es für ausreichend, wenn sie eine Atmosphäre beschreiben, einen Eindruck vermitteln oder eine Figur zeichnen. Dagegen ist nichts zu sagen, aber es ist keine Erzählung, und ich glaube nicht, daß es den Leser befriedigt. Er bleibt nicht gern ratlos zurück. Er möchte, daß seine Fragen beantwortet werden. Das habe ich versucht, und wenn mir eine Geschichte vorgeschlagen wurde, die ich nicht zu beantworten wußte, habe ich sie nicht geschrieben.
W. Somerset Maugham, Vorwort zu Gesammelte Erzählungen 1+2
W. Somerset Maugham, Vorwort zu Gesammelte Erzählungen 1+2
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