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Mittwoch, 23. August 2006

Flauberts »Wörterbuch der Gemeinplätze«


Gustave Flaubert sammelte seit seiner Kindheit Sottisen, Platitüden und einfach so Dahergesagtes, Worthülsen und Dummheiten. Im Laufe der Jahre hat er über tausend zusammengetragen. Er wollte sie in seinen unvollendeten Roman Bouvard und Pécuchet aufnehmen, in dem die beiden Helden, halbgebildete Biedermänner, sich das gesamte Wissen der Welt aneignen wollen, indem sie es kopieren. Das Buch war als Zerrspiegel seiner Zeit geplant, in der sich Plattheit mit Weisheit unreflektiert mischten. Seine (auch unvollendete) Sammlung »all dessen, was allgemein für richtig gilt« wurde als Wörterbuch der Gemeinplätze (Dictionnaire des idées reçues), Neuauflage Zürich: Haffmann 1998, veröffentlicht*.

Und was gehört zu seinen Fundstücken?

»Negerin. Heißblütiger als Weiße (vgl. Blondinen und Brünette).« »Blondinen. Heißblütiger als Brünette.« »Brünette. Heißblütiger als Blondinen.« »Deutsche. Volk von Träumern (veraltet).« »Engländer. Alle reich.« »Engländerinnen. Sich darüber wundern, daß sie so hübsche Kinder haben. – Die alten Engländerinnen sind immer häßlich.« »Diderot: Niemals ohne d’Alembert.« »Denken: Mühsam. Die Dinge, die einen dazu zwingen, gibt man im allgemeinen auf.« »Enzyklopädie: Dagegen wettern. Mitleidig darüber lächeln, als ob es sich um einen alten Zopf handle.« „Roßkastanie: Cousine des Pferdeapfels.“ „Darwin? stammt vom Affen ab.“ „Engel: Macht sich gut in der Liebe und in der Literatur.“ Ist von einem Jäger die Rede, rät er zu dem Zusatz: „ein großer … vor dem Herrn“, und für Shakespeare bringt er den „Schwan vom Avon“ ins Spiel. Er hielt nichts von einer Welt, in der Menschen allen Ernstes „vielen Dank für Speis und Trank“ sagen.

Weitere Klischees aus Flauberts Sammlung finden Sie hier:

http://www.zeit.de/1985/35/Woerterbuch-der-Gemeinplaetze-I, http://www.zeit.de/1985/36/Woerterbuch-der-Gemeinplaetze-II, http://pdf.zeit.de/1985/37/Woerterbuch-der-Gemeinplaetze-III.pdf, http://www.zeit.de/1985/38/Woerterbuch-der-Gemeinplaetze-IV, http://www.zeit.de/1985/39/Woerterbuch-der-Gemeinplaetze-V, http://www.zeit.de/1985/40/Woerterbuch-der-Gemeinplaetze-VI, http://www.zeit.de/1985/42/Woerterbuch-der-Gemeinplaetze-VIII

*Hans H. Henschen hat das Buch neu übersetzt. Es heißt nun »Wörterbuch der gemeinen Phrasen«, Eichborn. 2005. (Eine interessante Überschrift; was meint er wohl damit: dass die Phrasen gemein sind, oder ist es ein Pleonamus?)

Und welche Klischess und Worthülsen verdammen Sie (und rutschen Ihnen doch gern aus der Feder)? Ich freue nich über Ihre Liste und veröffentliche sie hier gern!

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