Ich schreibe heut, um einen Seufzer auszustoßen über die »Verbesserungen«, denen ich ausgesetzt gewesen bin. Ich hoffe, daß wir für die Zukunft, zunächst also für die 2. Hälfte der Novelle, den berühmten modus vivendi finden werden. Ich opfre Ihnen meine »Punctum’s«, aber meine »und’s«, wo sie massenhaft auftreten, müssen Sie mir lassen. Ich begreife, daß einem himmelangst dabei werden kann, und doch müssen sie bleiben, nach dem alten Satze: von zwei Uebeln wählre das kleinere.
Warum müssen sie bleiben? Es stört, es verdrießt etc. Und doch! Ich bilde mir nämlich ein, unter uns gesagt, ein Stilist zu sein, nicht einer von den unerträglichen Glattschreibern, die für alles nur einen Ton und eine Form haben, sondern ein wirklicher. Das heißt also ein Schriftsteller, der den Dingen nicht seinen alt-überkommenen Marlitt- oder Gartenlaub-Stil aufzwängt, sondern umgekehrt einer, der immer wechselnd, seinen Stil aus der Sache nimmt, die er behandelt. Und so kommt es denn, daß ich Sätze schreibe, die 14 Zeilen lang sind und dann wieder andre, die noch lange nicht 14 Sylben, oft nur 14 Buchstaben aufweisen. Und so ist es auch mit den »und’s«. Wollt’ ich alles auf den Und-Stil stellen, so müßt’ ich als gemeingefährlich eingesperrt werden, ich schreibe aber Mit-und-Novellen und Ohne-und-Novellen, immer in Ambequehmung und Rücksicht auf den Stoff. Je moderner, desto mehr und-loser, je schlichter, je mehr sancta simplicitas, desto mehr »und«. »Und« ist biblisch-patriarchalisch und überall da, wo nach dieser Seite hin liegende Wirkungen erzielt sollen, gar nicht zu entbehren. Im Einzelfall (dies gesteh ich gern zu) kann es an der unrechten Stelle stehn, aber dann muß der ganze Satz anders gebildet werden. Durch bloßes Weglassen ist nicht zu helfen. Im Gegentheil.
Theodor Fontane, Brief an Gustav Karpeles, 3. März 1881
(In Werke, Schriften und Briefe. Hanser 1980, S. 120)
Sonntag, 6. November 2011
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