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Samstag, 29. Oktober 2011

Gedicht der Woche: Joachim Rachel über den Poeten

Der Poet

(…)  Wer ein Poet wil seyn, der sey ein solcher Mann,
Der mehr als Worte nur und Reimen machen kan,
Der aus den Römern weiß, den Griechen hat gesehen,
Was für gelahrt, beredt und sinnreich kan bestehen,
Der nicht die Zunge nur nach seinem Willen rührt,
Der Vorrath im Gehirn und Saltz im Munde führt,
Der durch den bleichen Fleiß aus Schriften hat erfahren,
Was mercklichs ist geschehn vor vielmahl hundert Jahren,
Der guter Wissenschaft mit Fleiß hat nachgedacht,
Mehr Oehl als Wein verzehrt, bemüht zu Mitternacht,
Der endlich aus sich selbst was vorzubringen waget,
Das kein Mensch hat gedacht, kein Mund zuvor gesaget,
Folgt zwar den Besten nach, doch außer Dieberey,
Daß er dem Höchsten gleich, doch selber Meister sey,
Darzu gemeines Ding und kahle Fratzen meidet
Und die Erfindung auch mit schönen Worten kleidet,
Der keinen lahmen Vers läst untern Haufen gehn,
Viel lieber zwantzig würgt, die nicht für gut bestehn.
Nun wer sich solch ein Mann mit Recht will laßen nennen,
Der muß kein Narr nicht seyn, so wol was gutes können,
Als unser Tadelgern, der neugebohrne Held,
Der nicht geringen Muth und Titul hat für Geld. (…)

Joachim Rachel


(In Joachim Rachles aus Lunden Nach den Originale verbessere und mit einem neuen Vorberichte begleitete Teutsche Satyrische Gedichte. Berlin 1743, S. 80f.)

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