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Montag, 2. Mai 2011

Sartre sagt

Mit kalter Leidenschaft machte ich mich daran, meine Berufung dadurch zu verklären, daß ich meine alten Träumereien in sie eingehen ließ, nichts hemmte mich auf meinen Wegen. Ich verrenkte die Gedanken, fälschte den Sinn der Worte, zog mich vor der Welt zurück aus Angst vor üblen Begegnungen und Vergleichen. Auf die Leere meiner Seele folgte eine totale und permanente Mobilmachung: ich wurde eine Militärdiktatur. Das Unbehagen blieb in anderer Weise bestehen. Ich schärfte mein Talent: ausgezeichnet! Aber wozu sollte es dienen? Die Menschen brauchten mich: wofür? Zu meinem Unglück befragte ich mich über meine Rolle und mein Geschick. Ich fragte: „Worum handelt es sich denn eigentlich?“, und im gleichen Augenblick hielt ich alles für verloren. Es handelte sich um gar nichts. Der Wille allein macht noch keinen Helden; auch Mut und Begabung genügen nicht. Es müssen Hydraschlangen und Drachen vorhanden sein. Die aber erblickte ich nirgends.

Jean-Paul Sartre

(In Die Wörter. Rowohlt 1965, S. 133)

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