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Donnerstag, 28. April 2011

Schopenhauer über gewöhnliche Gedanken und ungewöhnlichste Ausdrücke

Den deutschen Schriftstellern würde durchgängig die Einsicht zu Statten kommen, daß man zwar, wo möglich, denken soll wie ein großer Geist, hingegen die selbe Sprache reden wie jeder Andere. Wir finden sie nämlich, umgekehrt, bemüht, triviale Begriffe in vornehme Worte zu hüllen und ihre sehr gewöhnlichen Gedanken in die ungewöhnlichsten Ausdrücke, die gesuchtesten, preziosesten und seltsamsten Redensarten zu kleiden. Hinsichtlich dieses Wohlgefallens am Bombast, überhaupt am hochtrabenden, aufgedunsenen, pretiösen, hyperbolischen und aerobatischen Stile, ist ihr Typus der Fähnrich Pistol, dem sein Freund Fallstaff ein Mal ungeduldig zuruft: »sage was du zu sagen hast, wie ein Mensch aus dieser Welt!« – Liebhabern von Beispielen widme ich folgende Anzeige: »Nächstens erscheint in unserm Verlage: Theoretisch-praktisch wissenschaftliche Physiologie, Pathologie und Therapie der sogenannten Blähungen, worin diese, in ihrem organischen Zusammenhange, ihrem Seyn und Wesen nach, wie auch mit allen sie bedingenden, äußern und innern, kausalen Momenten, in der ganzen Fülle ihrer Erscheinungen und Bethätigungen, sowohl für das allgemein menschliche, als für das wissenschaftliche Bewußtseyn, systematisch dargelegt werden: eine freie, mit berichtigenden Anmerkungen und erläuternden Exkursen ausgestattete Uebertragung des Französischen Werkes: l’art de peter.«

Arthur Schopenhauer, Über Schriftstellerei und Stil, § 283

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