Mittwoch, den 14. April 1824
Um ein Uhr mit Goethe spazieren gefahren. Wir sprachen über den Styl verschiedener Schriftsteller.
"Den Deutschen, sagte Goethe, ist im ganzen die philosophische Speculation hinderlich, die in ihren Styl oft ein unsinnliches, unfaßliches, breites und aufdröselndes Wesen hineinbringt. Je näher sie sich gewissen philosophischen Schulen hingeben, desto schlechter schreiben sie. Diejenigen Deutschen aber, die als Geschäfts- und Lebemenschen bloß aufs Praktische gehen, schreiben am besten. So ist Schillers Styl am prächtigsten und wirksamsten, sobald er nicht philosophirt, wie ich noch heute an seinen höchst bedeutenden Briefen gesehen, mit denen ich mich grade beschäftige.“
„Gleicherweise gibt es unter deutschen Frauenzimmern geniale Wesen, die einen ganz vortrefflichen Styl schreiben, so daß sie sogar manche unserer gepriesenen Schriftsteller darin übertreffen.“
„Die Engländer schreiben in der Regel alle gut, als geborene Redner und als practische, auf das Reale gerichtete Menschen.“
„Die Franzosen verleugnen ihren allgemeinen Charakter auch in ihrem Styl nicht. Sie sind geselliger Natur und vergessen als solche nie das Publicum, zu dem sie reden; sie bemühen sich klar zu seyn, um ihren Leser zu überzeugen, und anmuthig, um ihm zu gefallen.“
„Im Ganzen ist der Styl eines Schriftstellers ein treuer Abdruck seines Innern; will jemand einen klaren Styl schreiben, so sey es ihm zuvor klar in seiner Seele; und will jemand einen großartigen Styl schreiben, so habe er einen großartigen Charakter.“ (fett jmw)
(In Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens)
Samstag, 23. April 2011
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