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Samstag, 23. April 2011

Schiller über die Arbeit am Wallenstein und Goethes Änderungen daran

Schillers Worte über die Veränderungen an seinem Text lege ich all jenen ans Herz, die meinen, unseren Klassikern seien die Wörter druckreif aus der Schreibfeder geflossen (allenfalls mit Hilfe eines faulen Apfels in der Schublade). Überhaupt sei ein Lektorat überflüssig, schließlich stehe man in einer Reihe mit all den großen Schriftstellern.

An Goethe

Jena den 9. October 1798.

Dank für die überschickten Decken und Kupfer, die wir hier recht nöthig brauchten, und für die guten Nachrichten besonders, die Sie mir vom Gang unsrer Theatralien schreiben. Der Aufschub des Stücks kann mir nicht anders als lieb sein; auf den Donnerstag hoffe ich bei guter Zeit da sein zu können. Bei dieser belebten Behandlung der Sache entwickeln sich allerlei Dinge in meinem Kopf, die dem Wallenstein noch zu statten kommen werden. Das Vorspiel denke ich noch viel mehr für das Ganze zu benutzen, und weiß auch schon viele bedeutende Striche, die es noch zu seinem Vortheil erhalten soll. Die Arbeit wird mir vergrößert und doch zugleich beschleunigt werden.

Hätte ich gedacht daß die Capuzinerpredigt morgen früh nicht zu spät kommen würde, so hätte sie noch besser ausfallen müssen. Im Grund macht es mir große Lust, auf diese Fratze noch etwas zu verwenden; denn dieser Pater Abraham [Abraham a Santa Clara, jmw] ist ein prächtiges Original, vor dem man Respekt bekommen muß, und es ist eine interessante und keineswegs leichte Aufgabe es ihm zugleich in der Tollheit und in der Gescheidigkeit nach- oder gar zuvorzuthun. Indeß werde ich das möglichste versuchen.

Das Soldatenlied habe ich noch mit ein paar Versen vermehrt, die ich beilege. Es däucht mir daß es gut sein wird, dem Zuschauer Anfangs etwas Zeit zu geben, so wie auch den Statisten selbst, die Gruppe in ihrer Bewegung zu sehen, und die Anordnungen zu machen. Sie werden es wohl so einrichten, daß mehrere Stimmen sich in die Strophen theilen, und daß auch ein Chorus die letzten Zeilen immer wiederholt.

Sie haben es mit den Veränderungen, die Sie in meinem Text vorgenommen ganz gnädig gemacht. Von einigen ist mir die Ursache nicht gleich klar, doch darüber werden wir sprechen. Solche Kleinigkeiten führen oft zu den nützlichsten Bemerkungen. (fett jmw)

Leben sie recht wohl. Ich freue mich nur, daß Lust und Humor Sie bei dieser mechanischen Hetzerei nicht verlassen.

Meine Frau grüßt aufs beste.

Sch.

Sollten Sie mir morgen mit der Botenfrau noch etwas zu sagen haben, so lassen Sie ihr doch einprägen, mir den Brief zeitig zu übergeben. Ich erhalte ihn sonst erst Donnerstags.

Quelle: http://www.wissen-im-netz.info/literatur/goethe/briefe/schiller/500/523.htm

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