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Mittwoch, 13. Oktober 2010

Wussten Sie eigentlich, dass …


… Luther gar nicht gesagt hat »Hier stehe ich, ich kann nicht anders«?

Nein? Ich auch nicht. Aber dann erfuhr ich, dass der Ausspruch auch Arminius (Hermann) dem Cherusker zugesprochen wird. Leider habe ich dafür keine Quelle gefunden. Doch ich habe dank eines Hinweises von Elisabeth Dägling, einem netten Mitglied der Zitategruppe bei Xing (durch das ich überhaupt erst erfahren hatte, dass die Redewendung nicht von Luther ist)! Und zwar sagten die beiden verfeindeten Cheruskerfürsten  Arminius und Flavius über die Weser hinweg zueinander: »Hier stehe ich, ich konnte [kursiv jmw] nicht anders« (http://tinyurl.com/3ysuugt). Die Urheberschaft ist damit zwar nicht ganz geklärt und wird es auch nie werden. Aber ich bin's zufrieden.

Luthers Worte am Ende seiner Rede auf dem Reichstag 1521 in Worms lauten nämlich:
Da Eure kaiserliche Majestät und Eure Herrlichkeiten eine schlichte Antwort begehren, so will ich eine solche ohne Hörner und Zähne geben diesermaßen: Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, dass sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der Heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!
Erst in einem späteren Druck lauten die letzten Worte in Luthers Rede »Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.«

Meyers Großes Konversations-Lexikon schreibt dazu:
Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen! sind die Worte, mit denen Luther nach gewöhnlicher Annahme seine Verteidigungsrede auf dem Reichstag zu Worms (18. April 1521) geschlossen haben soll. Ganz sicher bezeugt sind nur die Worte: »Gott helfe mir, Amen!« Vgl. »Deutsche Reichsakten unter Kaiser Karl V.«, herausg. von A. Wrede, Bd. 2, Nr. 80 (Gotha 1896). (Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 9, Leipzig 1907, S. 320–321)
Vielleicht sind Luthers angeblichen Worte aber zum geflügelten Wort durch Friedrich Nietzsche geworden, der schreibt:
Vergessen wir doch nicht, dass die Völkernamen gewöhnlich Schimpfnamen sind. Die Tartaren sind zum Beispiel ihrem Namen nach "die Hunde": so wurden sie von den Chinesen getauft. Die "Deutschen": das bedeutet ursprünglich "die Heiden": so nannten die Gothen nach ihrer Bekehrung die grosse Masse ihrer ungetauften Stammverwandten, nach Anleitung ihrer Uebersetzung der Septuaginta, in der die Heiden mit dem Worte bezeichnet werden, welches im Griechischen "die Völker" bedeutet: man sehe Ulfilas. - Es wäre immer noch möglich, dass die Deutschen aus ihrem alten Schimpfnamen sich nachträglich einen Ehrennamen machten, indem sie das erste unchristliche Volk Europa's würden: wozu in hohem Maasse angelegt zu sein Schopenhauer ihnen zur Ehre anrechnete. So käme das Werk Luther's zur Vollendung, der sie gelehrt hat, unrömisch zu sein und zu sprechen: "hier stehe ich! Ich kann nicht anders!" – (Die fröhliche Wissenschaft, 146)
Ein bisschen wundert mich allerdings, dass Luthers nicht gesagte Worte ausgerechnet als Titel für Helge Hesses Buch Hier stehe ich, ich kann nicht anders: In 80 Sätzen durch die Weltgeschichte (Eichborn 2006) herhalten müssen, in dem er laut Amazon-Redaktion berühmte Sätze als
günstige Ausgangspunkte (nimmt) für kurzweilige und erhellende, aber nie trockene Exkurse in die Geschichte, aber auch in die Ideen- und Geistesgeschichte, da neben Herrschern, Königen und Politikern auch Philosophen und Wissenschaftler zu Wort kommen. … Beim titelgebenden Hier stehe ich und kann nicht anders Martin Luthers zum Beispiel beginnt der sechsseitige Beitrag sehr plastisch mit Luthers Auftritt vor dem Reichstag in Worms im April 1521.
Eine gründlichere Recherche wäre hier angebracht gewesen.

Mehr dazu siehe http://juttas-zitateblog.blogspot.com/2011/03/wussten-sie-eigentlich-dass.html

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