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Freitag, 24. April 2009

Vorsicht: Kopieren Sie nicht den Stil anderer Schriftsteller


Er las immer Agamemnon statt »angenommen«, so sehr hatte er seinen Homer studiert. (LICHTENBERG)

Es ist geradezu schimpflich, sich nur mit dem Nachahmen zu begnügen. Denn wo wären wir heute, wenn niemand mehr zustande gebracht hätte, als seine Vorgänger. (QUINTILIAN)

Dante Alighieri nennt in seiner Komödie den Virgil mit einem Respekt seinen Lehrer, und hat ihn, wie Herr Meinhard bemerkt, doch so schlecht genützt, eine deutliche Probe, dass man schon damals die Alten lobte, ohne zu wissen warum, sie loben und andere Sachen tun, dieser Respekt gegen Dichter, die man nicht versteht und doch erreichen will, ist die Quelle unserer schlechten Schriften. (LICHTENBERG)
Nehmen Sie sich das Handwerk anderer Schriftsteller als Vorbild, aber vergleichen Sie sich nicht mit ihnen. Sie möchten sicher nicht, dass es Ihnen wie jenem Autor einst beim Ingeborg Bachmann-Preis, zu dessen Text die Juroren erst einmal bemerkten, dass er sie sehr an BUKOWSKI erinnere. Gehen Sie auch nicht mit der Mode. Sie werden nicht berühmt werden, nur weil Sie über das Thema oder in dem Stil schreiben, die gerade in sind. Wichtig ist die Einzigartigkeit des Schriftstellers.

Bitte arbeiten Sie die Werke berühmter Schriftsteller nicht wie in der Schule durch. Niemand lernt durch bloßes Analysieren einen guten Stil schreiben. Kaufen Sie keine Hefte mit den Auslegungen ihrer Werke. Die Interpreten sind stets subjektiv, besonders bei Gedichten: Woher wollen sie wissen, was der Dichter uns sagen will? Manchmal weiß der es selbst nicht. »Feuchtohrige Buben fischen Phrases aus der Schlacht bei Cannä und greinen über die Siege des Scipio, weil sie sie exponieren müssen«, schreibt SCHILLER in den Räubern (vielleicht hat GOETHES Mutter ihren Sohn deshalb ermahnt, möglichst gar nichts zu schreiben ...). Denken Sie an Ihre Schulzeit, als den Jugendlichen nicht nur die Freude am Schreiben genommen wurde, sondern auch am Lesen durch das Durchkauen von Texten und deren Analysen, die bei Klausuren verlangt wurden und deshalb vorher gebüffelt werden mussten. Wie viele Generationen von Abiturienten haben später die Bücher, die sie in der Schule lesen mussten, und die Referate mit deren Deutungen in einem Freudenfeuer verbrannt. Lesen Sie zur eigenen Erbauung, mit Genuss (und manchmal auch nur zur Entspannung).

»Ich wünschte ein Shakespeare zu sein und wurde ein Shaw«, bedauert SHAW. Begehen Sie also nicht den Fehler, den Stil des von Ihnen geschätzten Schriftstellers zu kopieren (es sei denn, Sie wollen ihn parodieren). Schließlich kann man »niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt«, wie François TRUFFAUT sagt. Für LICHTENBERG liegt »das was man tun muß, um wie Shakespeare zu schreiben zu lernen, viel weiter ab als die Lesung desselben«, und Patricia HIGHSMITH fehlt beim »Nachahmen die Begeisterung …, und ohne Begeisterung kann man kein anständiges Buch schreiben«. Auch Jean PAUL warnt vor dem Kopieren:
Um deswillen ist einem jungen Dichter nichts so nachteilig als ein gewaltiger Dichter, den er oft lieset; das beste Epos in diesem zerschmilzt zur Lyra in jenem. Ja, ich glaube, ein Amt ist in der Jugend gesünder als ein Buch – obwohl in spätern Jahren das Umgekehrte gilt. – Das Ideal vermischt sich am leichtesten mit jedem Ideal, d. h. das Allgemeine mit dem Allgemeinen. Dann holet der blühende junge Mensch die Natur aus dem Gedicht, anstatt das Gedicht aus der Natur. Die Folge davon und die Erscheinung ist die, welche aus allen Buchläden heraussieht: nämlich Farben-Schatten statt der Leiber; nicht einmal nachsprechende, sondern nachklingende Bilder von Urbildern – fremde, zerschnittene Gemälde werden zu musaischen Stiften neuer Bilder zusammengereiht – und man geht mit fremden poetischen Bildern um, wie im Mittelalter mit heiligen, von welchen man Farben loskratzte, um solche im Abendmahlwein zu nehmen.
Ein Text wird nicht deshalb literarisch, weil er klingt, als wäre er von Updike, Franzen, Virginia Wolf, Irving, Grass oder Ingeborg Bachmann

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