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Mittwoch, 18. Februar 2009

Aus Schriftstellers Schreibstübchen

"Unter den paar tausend Zeilen, die ich Dir gebe, könnte ich vielleicht noch zehn duldsam anhören, die Posaunenstöße im vorigen Brief waren nicht nötig, statt der Offenbarung kommt Kindergekritzel … Der größte Teil ist mir widerlich, das sage ich offen (zum Beispiel „Der Morgen“ und anderes), es ist mir unmöglich, das ganz zu lesen, und ich bin zufrieden, wenn Du Stichproben verträgst. Du mußt aber daran denken, daß ich in einer Zeit anfing, in der man „Werke schuf“, wenn man Schwulst schrieb; es gibt keine schlimmere Zeit zum Anfang. Und ich war so vertollt in die großen Worte. Unter den Papieren ist ein Blatt, auf dem ungewöhnliche und besonders feierliche Namen aus dem Kalender ausgesucht stehn. Ich brauchte nämlich zwei Namen für einen Roman und wählte endlich die unterstrichenen: Johannes und Beate (Renate war mir schon weggeschnappt wegen ihres dicken Glorienscheins. Das ist doch fast lustig)."

(Aus dem Begleitschreiben zu einigen älteren Arbeiten, die Kafka im Herbst 1903 seinem Schulfreund Oskar Pollak schickte; siehe auch http://tinyurl.com/dcx7ok)

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