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Sonntag, 18. Januar 2009

Die verlorenen Wörter


Wörter werden geboren, sie welken und sterben. (Otto VIOLAN)

Christa WOLF mahnte bei ihrer Rede anlässlich der Verleihung des Nelly-Sachs-Preises 1999 eine Inventur der verlorenen Worte an, weil nach all dem Grauen eine neue, ganz andere Sprache nötig wäre:
Müssten wir nicht damit anfangen, eine Liste der verlorenen Wörter anzulegen, so wie die Naturforscher Listen der aussterbenden Arten angelegt haben, die täglich länger werden? Und ist es abwegig, zu vermuten, dass die sterbenden Wörter etwas mit den ausgestorbenen Tieren und Pflanzen zu tun haben? Weil wir geduldet haben, dass ein Wort wie »Ehrfurcht« uns fremd geworden ist, ausgesondert, überflüssig, peinlich, bleibt eine Gefühlsstelle in uns taub, wenn wir Mitlebendes ausmerzen.
Und sie fragte:
Was ist heute menschlich? Worauf beziehen wir heutzutage das Wort »human«? Für welche Inhalte ist es uns unverzichtbar geblieben oder geworden?
Verlorene Wörter sind aber auch solche, die von Schriftstellern geprägt, von anderen Autoren jedoch nicht übernommen, also vergessen wurden, wie beantlitzen (ARNDT); Wunderwald (EICHENDORFF); Absonderling (GRIMMELSHAUSEN); Tageseinsamkeit (GOETHE); Bildungsdichter (GRILLPARZER); Schicksalssohn (HERDER); maulschellieren (E. T. A. HOFFMANN); Heimatsehnsucht (W. v. Humboldt); Lachseele (JEAN PAUL); herwölken (KLOPSTOCK), vergottscheden (A. G. KÄSTNER); höllentstiegen (KLEIST); Betschwesterei (LICHTENBERG); prachtieren (MÖRICKE); zwiesprachig (MOMMSEN); lanzengewaltig (PYRKER); Dienstbereitswilligkeit (RABENER); Strahlenregen (TIECK).

Und dann gibt es die Wörter, die heute vergessen sind: Abnolken, Anquerdern, Anspinn, befetschen, Dolk, Empter, entnafzen, Gurbe, Gusel, hangdrüslicht, Hirsetute, Hupfelrei, ichtes (mit ichtesicht, ichteswann, ichtwan, ichtwas, ichtwasig, ichtwer, ichtwvo), Immi, Karschbein, Kannenwvroge, kille, Klipse, Kleuder, kommlich, Kone, Leibfall, Leuchse, Ludellerche, Mannsen, Melkter, Momber, Musterherr, Muttich, Pinge, Qualster, Quarre, Quappel, reuen, Ritscher, Sanduhrstein, Tschinke, Übersatz, Watschar, Wurstgraben, Zerte, Zeute, Zust.

So manches Wort werden wir allerdings bald vermissen, weil es heute schon selten erklingt:

Anmut, betrübt, dämmern, Demut, entzückt, gefeit sein, Flegel, Gabelfrühstück, Hupfdohle, intim werden, Ober (Ober, bringse noch’n Bier), Philister, Plage, Plumpe, prellen, Ränke, reuen, schwirren, schnauben, Sommerfrische, übertölpeln, Wählscheibe, Zecke, Zwielicht, Zwist.

Dazu kommen noch die Wörter, über die wir froh sein werden, wenn sie verloren sind (diese Wörter notiere sich der Leser selbst).

Sammeln Sie in einer Positivliste kaum noch benutze Wörter und Wendungen

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