Bing CROSBY bat einst den Lyriker Johnny BURKE, keine Lieder für ihn zu schreiben mit der Phrase »Ich liebe dich« … – »Aber warum denn?!«, höre ich Ihren Aufschrei, »wichtigere Worte gibt es doch nicht!« Sie haben ja Recht. Aber tausende Male sind genau diese Worte in tausenden von Büchern geschrieben worden. So oft, dass sie zur Phrase geworden sind. Denn kaum etwas ist schwieriger und auch heikler, als das Besondere, das Intime, das Unbeschreibliche zu schreiben. – Dorothea DIECKMANN meint allerdings in ihrem Aufsatz Gedanken über Ingeborg Bachmann, dass der Satz »durch seine universelle Konvertibilität ironischerweise fast schon wieder den Charme des >Haste mal ne Maak< erlangt hat« … –
»Die Worte sind unschuldig«, sagt Ingeborg BACHMANN. Aber wenn Worte nur nachgeplappert werden, weil man sie schon oft gelesen hat und sie das Ringen nach dem richtigen Ausdruck (wieder einmal) so vortrefflich ersparen, wenn das Unbeschreibliche verallgemeinert wird, zum Zitat, verlieren sie ihre Unschuld. Und deshalb muss man für solch intime Worte, die alles ausdrücken, Zärtlichkeit, Hoffen, Vertrauen, Hinterfragen und auch Angst vor der Reaktion des anderen nach Worten suchen, die nicht so abgenutzt sind. – Wohlgemerkt: das gilt für das Schreiben, nicht für das Sprechen! –
Vielleicht ist es aber nur Meistern wie TOLSTOI gegeben, die uralten Worte mit neuen Worten zu sagen:
»Ich wollte Sie schon lange etwas fragen« ...
»Fragen Sie, bitte!«
»Bitte sehen Sie her«, sagte er und schrieb folgende Anfangsbuchstaben: A, S, m, a: e, k, n, s, b, d, n, o, n, d? Diese Buchstaben bedeuteten: »Als Sie mir antworteten: es kann nicht sein, bedeutete das niemals oder nur damals?«
Es war höchst unwahrscheinlich, daß sie diesen langen Satz sollte verstehen können ... »Ich habe es verstanden«, sagte sie endlich errötend.
»Was ist das für ein Wort?« fragte er und zeigte das n, das niemals bedeutete.
»Dieses Wort heißt niemals«, antwortete sie.
»Aber dieses Wort sagt nicht die Wahrheit.« Er wischte das Geschriebene schnell weg, reichte ihr die Kreide und schrieb mit solcher Erregung, daß er die Kreide dabei zerbrach, die Anfangsbuchstaben folgender Sätze hin: »Ich habe nicht zu vergeben und zu vergessen; ich liebe Sie noch unverändert.«
Sie sah ihn mit regungslosem Lächeln an.
»Ich habe verstanden«, flüsterte sie.
Er setzte sich hin und schrieb einen langen Satz. Sie verstand alles, und ohne zu fragen, ob sie auch alles richtig aufgefaßt habe, nahm sie die Kreide und antwortete sofort.
Er konnte das, was sie geschrieben hatte, trotz längerer Bemühung nicht verstehen und blickte ihr oft in die Augen. Er war von seinem Glück ganz benommen und schlechterdings nicht imstande, für die Anfangsbuchstaben die Worte einzusetzen, die sie gemeint hatte; aber in ihren reizenden, glückstrahlenden Augen las er alles, was er zu wissen brauchte. Und nun schrieb er drei Buchstaben. Aber er hatte noch nicht zu Ende geschrieben, als sie schon das Geschriebene hinter seiner Hand las, es selbst zu Ende brachte und auch gleich die Antwort dazu schrieb: »Ja« ... (Krieg und Frieden)
Aber Sie sollten sich beim Suchen nach dem genialen, noch nie gehörten Ausdruck nun auch nicht krampfhaft bemühen, besonders originell zu sein oder eine bemüht poetische Sprache mit sinnlosen Metaphern zu benutzen. Laut Hartmut KASPER soll eine »Legende gehen«,
eines Tages sei ein verliebter Jungautor zu Lessing gekommen, in Not: Er wolle seiner Liebsten seine Liebe zunächst einmal brieflich anzeigen, das Ganze möglichst versifiziert; die Arbeit sei zunächst gut vorangekommen, ihre Brüste als Schneekugeln, deren Spitzen als Korallen, die Zähne als Edelsteine bezeichnet, auch ansonsten einiges kostbare Mineral zum Vergleich aufgefahren worden, dennoch, jetzt stocke es, irgendeine Würze fehle, das die Liebe ins Ohr trommelnde Wort, der Hit. Lessing, barocker Wortgewalt eher abgeneigt, nutzt die ratlose Pause und fragt nach: Was genau wollen Sie der Frau eigentlich sagen? Daß ich sie liebe, antwortet dieser, und ich ohne sie nicht länger leben mag. Dann, sagt Lessing, schreibt ihr genau das.
Nun ja, das galt für den persönlichen Brief des Jungautors. Sicher hätte LESSING dem guten Autor für das Schreiben solcher Worte in einem Roman, in dem es eben nicht um ein intimes Geständnis geht, auch einen passenden Rat geben.
Sonntag, 6. Mai 2007
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