Schwierige und pomphafte Phrasen verhüllen winzige, nüchterne oder alltägliche Gedanken. (SCHOPENHAUER)*
Man kann all das nicht von heut auf morgen ändern, aber man kann zumindest seine einige seiner Gewohnheiten ändern, und von Zeit zu Zeit, wenn man nur laut genug ein Hohngelächter anstimmt, gelingt es sogar, ein abgestandenes sinnloses Phrasengeschwätz (…) in der Mülltonne verschwinden zu lassen, wo es hingehört. (ORWELL)
One cannot change this all in a moment, but one can at least change one's own habits, and from time to time one can even, if one jeers loudly enough, send some worn-out and useless phrase (…) into the dustbin where it belongs. (In Politics and the English Language)In die Müllltonne gehören auch die abgeleierten Ausdrücke, die kitschigen und banalen Wendungen, die Schablonen- und Plastikwörter, die Phrasen (gr.: phrássi = der Satz, Ausdruck, die Wendung; in der Linguistik werden Wörter, die zusammengehören, weil sie eine gemeinsame Funktion haben, also eine Wortgruppe, Phrase genannt; gebräuchlicher ist das Wort allerdings als Synonym für einen Gemeinplatz, eine Floskel), wie Die Eltern waren von ernster Sorge erfüllt und verfielen in ein hektisches Treiben; verbrannte Autos legen ein stummes Zeugnis vom Ausmaß der Katastrophe ab und bieten ein Bild des Grauens; mit eisernem Fleiß erreichte Ruth ihr Ziel. Lassen Sie Ihre Heldin nicht mit eherner Miene müde die Hand heben, in vornehmen Kreisen verkehren, voll flammender Empörung sein. Genauso abgelatscht: Im Herbst fällt das Laub von den Bäumen; im Frühling lockt die Sonne ins Freie; das trübe Wetter drückt aufs Gemüt; das Flugzeug zog eine weite Schleife, ehe es zur Landung ansetzte. Auch der rote Teppich, der beim großen Bahnhof ausgelegt wird, gehört zu den toten Wörtern.
Glauben Sie mir von ganzem Herzen, es ist mir bitterer Ernst: Solche Wendungen sind echt gar nicht in Ordnung.
Phrasengeschwätz, wie es kitschiger nicht sein kann, finden wir in dem guten Rat TSCHECHOWS an seinen Bruder Aleksander, als der an der Erzählung Die Stadt der Zukunft arbeitete:
Gemeinplätze der Art: »Die untergehende Sonne, die sich in den Wellen des dunkelnden Meeres badete, verströmte purpurnes Gold« usw. »Die Schwalben, die über die Oberfläche dahinflogen, zwitscherten fröhlich« – solche Gemeinplätze muß man bleibenlassen. (Zitiert nach Anton Pavlovič Čechov, 1994, S. 9)Warum muss ein Quell, wahlweise Quelle, Bächlein, immerzu munter springen oder hüpfen (kann ein Quell überhaupt fließen oder ist es nicht das Quellwasser, das hüpft?), warum müssen Blicke fallen, und warum ist man immer gleich bitter enttäuscht? Warum muss alles unendlich sein: Die unendliche Liebe, das unendliche Glück, die unendliche Tiefe? Oder auch umfassend: eine umfassende Aussage, ein umfassendes Angebot; fehlt nur noch die umfassende Liebeserklärung. Warum wird Kaffee meist hastig getrunken, die Zigarette hastig geraucht, etwas Edles wie eine delikate Speise, ein kostbarer Wein oder ein Klavierkonzert Chopins genossen? Und warum ist das Genossene meist auch noch exquisit oder erlesen? (Wie schmeckt eine erlesene oder vorzügliche Speise, was sagt ausgezeichneter Wein aus? – Es sei denn, Sie meinen eine Wein-Auszeichnung wie eine silberne Preismünze. –
Was ist das für ein Satz: »Die friedliche Stille der Nacht wird plötzlich durch die hallenden Schritte eines Unbekannten gestört. Über das Gesicht der Angebeteten huscht ein Hauch von Unbehagen, der das Herz des Liebhabers frösteln lässt.« Wir entdeckten ihn nicht in einem Heftchenroman, sondern in einem Artikel über Wahrnehmung unter der Rubrik Forschung einer seriösen Tageszeitung!
(siehe auch Flauberts Wörterbuch der Gemeinplätze auf http://juttas-schreibtipps.blogspot.com/2006/08/flauberts-wrterbuch-der-gemeinpltze.html)
Schade, dass es kein virtuelles Phrasenschwein gibt, in die jeder 3 Euro einzahlt, der eine Phrase gebraucht …
* Das Zitat ist so nicht ganz richtig. Lesen Sie die korrekte Version (in Die Welt als Wille und Vorstellung. Brockhaus 1844, S. 250) auf http://phrasensammlung.blogspot.de/.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen