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Dienstag, 23. Januar 2007

Aus Schriftstellers Schreibstübchen (Recherche IV)

UMBERTO ECO schreibt über seine Recherchen im Nachwort zu Der Name der Rose:
Als erstes machte ich mich daran, den Traité des poisons [Allgemeine Toxicologie oder Giftkunde, worin die Gifte des Mineral-, Pflanzen- und Thiereichs, aus dem physiologischen, pathologischen und medizinisch-gerichtlichen Gesichtspunkte untersucht werden] von Orfila zu studieren – den ich zwanzig Jahre zuvor bei einem Bouquinisten am Seineufer erstanden hatte … Da keins der behandelten Gifte mich befriedigte, bat ich einen befreundeten Biologen, mir ein Pharmakon mit bestimmten Eigenschaften (Absorbierbarkeit über die Haut bei Berührung von zweckmäßig präparierten Gegenständen) zu empfehlen. Seinen Antwortbrief, in dem er mir schrieb, er kenne leider kein Gift, das meinen Wünschen entspreche, habe ich unverzüglich vernichtet: Schriftstücke solcher Art bringen ihren Besitzer, liest man sie in einem anderen Kontext, leicht an den Galgen.
Weiter schreibt er
Das erste Jahr der Arbeit an meinem Roman verging mit dem Aufbau der Welt. Lange Listen der Bücher, die in einer mittelalterlichen Bibliothek stehen konnten. Namen- und Datenregister für viele Personen, viele mehr, als am Ende in die Geschichte hineinkamen. Denn ich mußte ja schließlich auch wissen, wer die anderen Mönche waren, die nicht im Buch auftreten; es war nicht nötig, daß der Leser ihre Bekanntschaft machte, aber ich mußte sie kennen. Wer hat gesagt, die Epik müsse dem Einwohnermeldeamt Konkurrenz machen? Aber vielleicht muß sie auch dem Bauamt Konkurrenz machen. Also ausgedehnte architektonische Studien, anhand von Bildern, Fotos und Grundrissen in der Enzyklopädie der Architektur, um den Plan der Abtei festzulegen, die Entfernungen, ja selbst die Anzahl der Stufen einer Wendeltreppe. Marco Ferreri hat mir später gesagt, daß meine Dialoge filmgerecht seien, da sie die richtige Länge hätten. Kein Wunder: Wenn zwei meiner Personen miteinander redeten, während sie vom Refektorium zum Kapitelsaal gingen, schrieb ich mit dem Plan der Abtei vor Augen, und wenn sie angelangt waren, hörten sie auf zu reden.
– Eine Frage: Wer hat Ecos Rose wirklich Wort für Wort (oder gar zu Ende) gelesen – all die gelehrten Abhandlungen über die Templer und Franz von Assisi, über die Armut und das Lachen, all die Dispute und Gewissensprüfungen? Das Ganze garniert mit nur einer einzigen erotischen Episode (die ohne weiteres die Freiwillige Selbstkontrolle ab sechs Jahren freigegeben hätte). Die meisten Leser haben diese Stellen übersprungen und sich an einem spannenden Klosterkrimi erfreut. –

Bemerkenswert ist übrigens der Kunstgriff, den Eco für Erklärungen gewählt hat: Jorge berichtet über historische Personen und Ereignisse oder kirchliche und klösterliche Angelegenheiten so, als seien bekannt, erläutert sie jedoch noch einmal.

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