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Samstag, 25. November 2006

Das Wort lebt

Der Dichter benutzt die Worte nicht einfach, er liebt sie,
seine Sprache kann unglaublich sinnlich sein.
Sigrid LÖFFLER

Sprache soll, so HAMSUN, »über Skalen der Musik (Hervorhebung jmw) verfügen. Der Dichter soll immer, in allen Fällen, des lebendigen Wortes mächtig sein, das mir die Sache erzählt, das meine Seele durch seine Treffsicherheit bis hin zum Jammer verletzen kann. Das Wort kann in Farbe, in Laute, in Gerüche verwandelt werden. Aufgabe des Dichters ist es, das Wort so zu verwenden, daß es wirkt, daß es nie versagt und nie abprallt. ... Man soll sich in der Wortfülle tummeln und austoben können; man soll nicht nur die unmittelbare, sondern die heimliche Macht des Wortes kennen und verstehen. ... Es gibt Ober- und Untertöne in Wörtern, und es gibt Nebentöne ...«

HERDER wiederum fordert, dass der Dichter Empfindungen nicht ausdrücken, sondern malen soll. Jedoch sei es schwer, sie »durch eine gemalte Sprache in Büchern (auzudrücken, jmw) …, ja an sich unmöglich. Im Auge, im Antlitz, durch den Ton, durch die Zeichensprache des Körpers – so spricht die Empfindung eigentlich, und überläßt den toten Gedanken das Gebiet der toten Sprache. Nun, armer Dichter! und du sollst deine Empfindungen aufs Blatt malen, sie durch einen Kanal schwarzen Safts hinströmen, du sollst schreiben, daß man es fühlt, und sollst dem wahren Ausdruck der Empfindungen entsagen; du sollst nicht dein Papier mit Tränen benetzen, daß die Tinte zerfließt, du sollst deine ganze lebendige Seele in tote Buchstaben hinmalen, und parlieren, statt auszudrücken.«

Um Empfindungen zu malen, um Ober- und Untertöne zu finden – um Bilder im Leser lebendig werden zu lassen, muss der Erzähler lebendige Wörter finden, Wörter, die all unsere Sinne ansprechen. Nicht nur solche, die wir riechen können wie Moder oder Zimt, sondern auch, die wir hören können, wie quietschen oder blubbern, die wir sehen können, wie Schattenriss oder Wachspuppenkopf, die wir schmecken, wie gegoren oder chilischotenscharf, und die wir ertasten können, wie stachlig oder flauschig. Aber auch solche, die eine Tat ausdrücken, wie japsen oder stöckeln.

Für LICHTENBERG sind die »Schallwörter« wie »es donnert, heult, brüllt, zischt, pfeift. braust, saust, summet, brummet, rumpelt, quäkt, ächzt, singt, rappelt, prasselt, knallt, rasselt, knistert, klappert, knurret, poltert, winselt, wimmert, rauscht, murmelt, kracht, gluckset, … klingelt, bläset, schnarcht, klatscht, lispeln, keuchen, es kocht, schreien, weinen, schluchzen, krächzen, stottern, lallen, girren, hauchen, klirren, blöken, wiehern. Schnarren, scharren, sprudeln«, und noch »andere, welche Töne ausdrücken, … nicht bloße Zeichen, sondern eine Art von Bilderschrift für das Ohr.«

Schreiben Sie mit Ihrer Nase, Ihren Augen, Ihren Ohren, Ihrem Mund, Ihren Fingerspitzen, Ihren Füßen – schreiben Sie mit dem ganzen Körper.

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