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Donnerstag, 14. September 2006

Noch mehr Unlogisches

Alle Kirschen sind gepflückt, nun sind sie alle. Alle kann alles oder nichts bedeuten.* Wer ist älter, die ältere Dame oder die alte Frau, wer jünger, der jüngere oder der junge Mann? Was meint ein Vater von vier Kindern damit, wenn er sagt »Ich habe nur Töchter« – ausschließlich Töchter oder (leider) nur Töchter? Und was hat ahnten mit ahnden zu tun?

Jean PAUL schreibt dazu:

Ahnen bedeutet vorausfühlen, Ahnden strafen; warum will man beides mit einem Worte ausdrücken, zu welchem einige Ahnen, andere Ahnden wählen? Wie, wenn ich nun sagen wollte: ich ahne das Ahnden, ja man wird wieder das Ahnen ahnden; d. h. ich ahne (errate) das kritische Ahnden (Strafen) dieser Stelle, denn man wird sogar dieses Erraten strafen wollen. … Auch hat Ahnen für sich noch das Schwanen (mir schwant es), das einige vom weissagenden Schwanengesang ableiten.

Nutzen Sie die ungeheuren Möglichkeiten, »glitzernde Wörtchen« (LICHTENBERG) zu finden, denn ein schlampig geschriebener Text ist Ihrem Leser nicht geheuer, wenn nicht gar ein sprachliches Ungeheuer.

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* Das Wort alle als Bedeutung dafür, dass etwas nicht mehr vorhanden ist, soll auf hugenottische Schwestern zurückgehen, die in Berlin Spitzen verkauften. Wenn sie etwas nicht mehr auf Lager hatten, sagten sie zu ihren Kundinnen »c’est allé« – es ist (aus)gegangen. Wenn SCHILLER in den Räuber schreibt, »Der Wein all’ ist in unsern Schläuchen», bedeutet das schlicht und einfach, dass die Weinschläuche leergetrunken sind und nicht, wie ein französischer Übersetzer annahm, dass sie in den, nun ja, inwendigen Schläuchen sind.

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