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Freitag, 16. September 2011

Hans Fallada über Hemingways Stil

„[Wenn] er Apfel sagt, so meint er Apfel, den kennt man ja. Es gibt Leute, die brauchen die Verkleidung, den Schmuck, dagegen ist nichts zu sagen. Aber es gibt andere Leute, die finden, der Apfel ist für sie gut genug, auch wenn man ihn nicht rotbäckig, nicht wohlriechend nennt.

Hemingway gibt nur das Notwendigste. So macht er das auch in der Art der Erzählung. Die ist unerhört primitiv. Erst tat er das, dann tat er das. Beinahe wie in der Bibel: er ging hin und nahm ein Weib. Zeichnen ist Weglassen, auch Erzählen ist Weglassen. Es ist ganz ungeheuerlich, wie er das macht. Er erzählt Details über Details. Wie man in eine Stadt kommt, sich ein Hotelzimmer nimmt, mit dem Portier ein paar Worte spricht, raufgeht, sich wäscht, ein frisches Hemd anzieht, Anzüge in den Schrank hängt, wieder in die Stadt geht, eine Zeitung kauft – Details über Details, Weglassen aller Gefühle, es gibt keinen Autor: Und aus all dem steigt Traurigkeit auf, die Verlorenheit im Leben, unsere Ziellosigkeit, Ausgeliefertsein an das Schicksal. Hemingway spricht nie davon, er spricht nie von Gefühlen, wenn er von der Liebe spricht, so ist das keine hohe Göttertochter, sondern eine ganz irdische Sache, Geschwätz zu zweien, wie schön es ist, zusammen ins Bett zu gehen, den Regen vor den Fenstern zu hören, sich zu halten.

Er zeichnet nur ein paar Striche, grade die Striche, die notwendig sind für die Kontur. Das andere überlässt er seinen Lesern, uns. Nun kommt es darauf an, wie wir zu den Dingen stehen.“ (kursiv jmw)

Hans Fallada

(Hans Fallada: Ernest Hemingway oder woran liegt es. In Literatur 33, September 1931, S. 674)

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