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Samstag, 9. April 2011

Sartre übers Schreiben

Ich begann mich zu entdecken. Ich war beinahe nichts, bestenfalls eine Tätigkeit ohne Inhalt, aber mehr brauchte ich nicht. Ich entrann dem Theaterspielen: Ich arbeitete noch nicht, allein ich spielte nicht mehr. Der Lügner fand seine Wahrheit im Erarbeiten seiner Lügen. Durch Schreiben wurde ich geboren [kursiv jmw]. Vorher gab es nur ein Spiel der Spiegelungen; seit ich meinen ersten Roman verfaßt hatte, wußte ich, daß sich ein Kind ins Spiegelkabinett eingeschlichen hatte. Indem ich schrieb, existierte ich und entschlüpfte den Erwachsenen, aber ich existierte bloß, um zu schreiben, und wenn ich das Wort Ich aussprach, so hieß das: Ich, der Schreibende. Immerhin, ich lernte die Freude kennen. Das öffentlich lebende Kind traf mit sich private Verabredungen.

Jean-Paul Sartre

(Die Wörter. Rowohlt 1965, S. 116)

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