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Freitag, 8. April 2011

Anton Tschechow übers Beschreiben*

Die Erzählung müßte mit dem Satz beginnen: »Somov war sichtlich erregt«, alles, was vorher gesagt wird über die Wolke, die schwer lastete, über die Spatzen, über das Feld, das sich ausbreitet, – all das ist Tribut an die Routine. Sie haben ein Gefühl für die Natur, stellen sie aber nicht so dar, wie Sie sie fühlen. Naturbeschreibungen müssen vor allem bildlich sein, damit sich der Leser, wenn er sie gelesen hat und die Augen schließt, die dargestellte Landschaft sofort vorstellen kann, eine Ansammlung solcher Momente wie Dämmerung, bleierne Farbe, Pfütze, Nässe, Silberschatten der Pappeln, Wolken am Horizont, Spatzen, ferne Wiesen – das ergibt kein Bild, denn ich kann mir dies alles in einem harmonischen Ganzen beim besten Willen nicht vorstellen. In Erzählungen wie der Ihren sind Naturbeschreibungen nur dann am Platze und verderben das Ganze nicht, wenn sie zum Thema gehören, wenn sie Ihnen helfen, dem Leser die eine oder andere Stimmung mitzuteilen, wie die Begleitmusik beim Rezitativ.

Routine des Verfahrens überhaupt bei Beschreibungen: »das bunt mit Büchern vollgestellte Regal an der Wand«. Warum nicht einfach: »das Bücherregal«. Die Puškinbände stehen bei Ihnen »vereinzelt«, die Bände der »Billigen Bibliothek" »eingezwängt«. Wozu das alles? Sie halten die Aufmerksamkeit des Lesers auf und ermüden ihn, weil sie ihn innehalten lassen, um das bunte Bücherregal zu betrachten oder den eingezwängten »Hamlet« – das zum ersten; zweitens ist das alles nicht einfach genug, es ist manieriert und, als Kunstgriff, ein bißchen veraltet. Heutzutage schreiben nur noch Damen »das von Haaren umrahmte Gesicht«.

*Ich muss gestehen, dass ich diesen Text dieser Seite entnommen habe. Ich weiß weder, wessen Text Tschechow kritisiert (vermutlich Gorkis), noch wann. Aber ich möchte Ihnen diese Ausführungen nicht vorenthalten. Für Hinweise bin ich natürlich dankbar.

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