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Samstag, 11. November 2006

Überflüssig wie ein Kropf

Gebt lieber die nackten schwarzen Holz-Äste als einen welken Umhang rauschenden Laubes vom vorigen Jahr! (Jean PAUL)

Jemand sagte zu mir:
»Geh nur immer hübsch deiner Nase nach.«
Wahrscheinlich stand sie mir aber
schräg im Gesicht.
Ich kam vom Wege ab
und auf die schiefe Bahn.
Ich bin ganz schön heruntergekommen.
Hans MANZ, Auszug aus Lebenslauf

Notwendige Metaphern füllen Lücken in der Sprache, sie sind deshalb eine der häufigsten, wenn auch oft unbewusst gebrauchten rhetorischen Figuren. Aber viele Wörter und Wendungen der Alltagssprache sind erstarrte Katachresen. Vermeiden Sie die hohlen Worte, die alten Zöpfe und Hüte. Sie haben keine Bildkraft und werden nur noch in der Regenbogenpresse oder Trivialliteratur gebraucht. Reines Wortgeklingel sind die folgenden Sätze: Der zielstrebige Forscher wird seinen Weg schon machen; er wird eine Beamten-Laufbahn einschlagen, Fortschritte erzielen und gut vorankommen. Er wird allerdings mit anderen Kollegen wetteifern und seinen Vorgesetzten entgegenkommen müssen, statt ihnen im Wege zu sein. Mit seinen Ideen wird er offene Türen einrennen, und doch wird er sein Leben lang zur Schule gehen müssen, sogar dann und wann gegen Windmühlen kämpfen. Aber früher oder später wird ihm das Anrennen reichen, er wird sein Wort auf die Goldwaage legen und immer wieder in die Wagschale werfen müssen. Die Damenwelt schätzt an ihm, dass er ein Draufgänger und kein Waschlappen ist. Und so wird er seine unsterbliche Liebe finden, bei ihr hängen bleiben und im Hafen der Ehe landen. Im Honeymoon werden beide auf Wüstenschiffen durchs Sandmeer reiten; ihre Kinder werden wie die Orgelpfeifen sein. Hoffen wir, dass seine Angebetete ihm nicht im Herbst des Lebens Hörner aufsetzt, er vor den Scherben seines Glücks steht – dass er aufs Abstellgleis geschoben wird. Wünschen wir ihm auch nicht, dass er strauchelt, auf Abwege gerät, unter die Räder kommt, vor die Hunde geht, sich irgendwann fragt Wovon soll der Schornstein rauchen? und arm wie eine Kirchenmaus wird. Dann wird er schimpfen wie ein Rohrspatz. Dem Himmel sei auch getrommelt und gepriesen, wenn er kein kalter Hund wird und nicht geizig wie ein Schotte, wenn er nicht frisst wie ein Scheunendrescher. Doch Schwamm drüber, er wird das Kind schon schaukeln und wenn der Sensemann das Stundenglas nicht mehr umdreht, auf dem Sterbebett schmunzeln: Da hab ich doch alles in allem Schwein gehabt.

Gerade beim Schildern von Gefühlen greifen wir oft zu Klischees, weil wir die richtigen Worte nicht finden (oder uns zu mühselig scheint, für Gefühle, die eh jeder kennt, neue Worte zu suchen): Das Herz sinkt in die Hose; Weltschmerz und Durchhängen; das Herz schlägt bis zum Hals; die Hände werden feucht vor Angst (auch wenn das physikalische Tatsachen sind).

An ausdrucksstarken Metaphern lässt sich ein guter Text erkennen. Abgedroschene, an den Haaren herbeigezogene oder aus anderen Texten entlehnte sprechen für einen schlechten Text und einen nachlässigen Schreiber. Verzichten Sie auf Metaphern, wenn Ihnen nur Klischees einfallen.

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