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Samstag, 18. November 2006

Üben üben üben (Metaphern)

Wir hätten auch »Übung macht den Meister« schreiben können, aber keine Angst – auch dieser Ausspruch ist inzwischen zur Phrase geworden.

Wie finden Sie nun die Metaphern, die Ihrem Text Kraft verleihen und in Ihrem Leser etwas bewirken (sie müssen ja nicht gleich eine ganze Welt bewegen)?

FLAUBERT wundert sich in einem Brief an Louise COLET:
In Ronsard steht eine merkwürdige Vorschrift: er empfiehlt dem Dichter, sich in den Künsten und Handwerken, bei Schmieden, Goldschmieden, Schlossern usw. zu unterrichten, um dort Metaphern zu schöpfen; das gibt einem wirklich eine reiche, mannigfaltige Sprache; die Sätze müssen sich in einem Buch wie die Blätter in einem Walde bewegen, alle in ihrer Ähnlichkeit unähnlich.
Schöpfen Sie also auch bei anderen Künstlern. Und üben Sie (und nun sagen Sie nicht, ach, schon wieder die alte Leier …). Überlegen Sie beim Entwerfen Ihrer Figuren, wie groß sie sind, wie klug, wie böse. Schreiben Sie gelungene (und weniger gelungene) Metaphern, die Ihnen auffallen, in Ihr Notizbuch. Doch denken Sie daran: Gute Bilder können Sie sich nicht ausdenken, oft wirken sie nur gekünstelt. Der Leser merkt das und ist verstimmt. »Besser sind jedenfalls jene Metaphern«, schreibt VON LUTTEROTTI, »die einem die Phantasie sozusagen schenkt, als jene, nach denen man krampfhaft suchen muss«. Oft glauben Autoren, dass sie eine Metapher ersonnen haben, und doch haben sie nur ein Bild aus dem Unterbewusstsein ausgegraben, das sich dort eingenistet hatte.

Und wenn Ihnen trotz allem keine Metaphern einfallen? Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit, indem Sie verzweifelt die kühne, die noch nie gesagte Metapher suchen, die Sie unsterblich macht. Ihr Text wirkt nicht literarischer, nur weil Sie in jeden zweiten Absatz abgedroschene Vergleiche und schiefe Bilder streuen. Metaphern zu finden kann man nicht lernen, dazu gehört Begabung, die Begabung nämlich, Ähnlichkeiten zu erkennen.

Generell soll man laut W. E. SÜSKIND
»wie jede außergewöhnliche Redefigur das Gleichnis nur sparsam verwenden … . Es unterbricht, so sehr es innerlich weiterführt, zunächst einmal den Fortgang der Rede. Der Hörer und noch mehr der Leser empfindet es als störend, wenn er ohne besonderen Anlaß aus dem einmal angeschlagenen Marschrhythmus herausgerissen wird und noch auf einem zweiten Gleis, einer höheren Ebene, mitdenken soll, wie es im Gleichnis von ihm verlangt wird. … Das Gleichnis sitzt dann richtig, wenn es den Augenblick erfaßt, in welchem eine Rhythmusänderung, eine Rast als angenehm empfunden wird. Dann gilt es, den Leser zu überlisten, so daß er, der stillzustehen und auszurasten meint, in Wirklichkeit auf einem anderen Gleis weiterschreitet. So wird aus dem Bild das Gleichnis.«
Laut einer Faustregel sollte höchstens jeder zweite Satz eine Metapher enthalten.

Verzichten Sie auf Metaphern, wenn Ihnen keine gelungenen einfallen.

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