Sagen wir’s zunächst einmal ganz grob: in vielen Texten steht „eigentlich“ ohne jede Bedeutung „nur so herum“. Es könnte also auch weggelassen werden. Aber da und dort hat es doch einen (Hinter-)Sinn. „Was wollen Sie?“, ist eine Frage, „Was wollen Sie eigentlich?“, ist fast schon ein Vorwurf. Jedenfalls klingt es recht unfreundlich.
Und wenn wir „so recht eigentlich“ lesen, müssen wir uns in die Zeit zurück denken, in der man so schrieb, also etwa zweihundert Jahre zurück. Damals wies diese Formel auf das Wesent-liche. „Wesen“ aber ist sinngleich mit „wirken“. Im Norddeutschen wird „wesen“ gelegentlich noch statt „tun“/„machen“/„sein“ gebraucht. Das Wesent-liche ist also das Wirk-liche. Und im Denken und Tun des Menschen wirkt vor allem das Eigene, das Ur-sprüngliche – also das Eigen(t)liche (das „t“ steht nur für bessere Sprechbarkeit). Das aber musste wahr sein, musste eine (eigene) Bedeutung haben.
Dazu schauen wir doch am besten einmal bei Martin Heidegger nach. Der benutzt einen alten Trick der (philosophischen) Denker: Er setzt neben den erfragten Begriff einen Gegenbegriff; er erfindet also zum „Eigentlichen“ das „Uneigentliche“. Und von hier aus entwickelt(!) er dann Wesen und Inhalt des Eigentlichen. Das Uneigentliche aber bestimmt er – gar nicht so dunkel, wie es ihm oft nachgesagt wird – als das „Verfallen-sein an das ’man’“, also an genau das, was uns nicht mehr eigen ist oder bestenfalls als eine Form von Gemein-Eigentum.
„Im Eigentlichen aber sollen wir/die Dinge/die Begriffe ganz (…) wir selbst sein.“ Das ist ein sehr hoher Anspruch. Er verbietet (eigentlich?), das Wort bei jeder passenden, weit öfter aber noch bei vielen unpassenden Gelegenheiten zu verwenden.
Und nun sagen Sie bitte nicht: Eigentlich hätte ich es gar nicht so genau wissen wollen. Ich habe bisher „eigentlich“ so schön unbefangen verwendet – und das werde ich von jetzt an nicht mehr können.
Horst Dinter
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