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Sonntag, 5. August 2012

Goethe an Schiller am 23. 8. 1797 zu dessen Ballade "Die Kraniche des Ibykus" (II)

Frankfurt 23. Aug. 1797.

An Friedrich Schiller

Zu dem was ich gestern über die Ballade gesagt muß ich noch heute etwas zu mehrerer Deutlichkeit hinzufügen. Ich wünschte, da Ihnen die Mitte so sehr gelungen, daß Sie auch noch an die Exposition einige Verse wendeten, da das Gedicht ohnehin nicht lang ist. Meo voto [meiner Meinung nach] würden die Kraniche schon von dem wandernden Ibykus erblickt; sich, als Reisenden, verglich' er mit den reisenden Vögeln, sich, als Gast, mit den Gästen, zöge daraus eine gute Vorbedeutung, und rief' alsdann unter den Händen der Mörder die schon bekannten Kraniche, seine Reisegefährten, als Zeugen an. Ja, wenn man es vortheilhaft fände, so könnte er diese Züge schon bei der Schiffahrt gesehen haben. Sie sehen was ich gestern schon sagte, daß es mir darum zu thun ist aus diesen Kranichen ein langes und breites Phänomen zu machen, welches sich wieder mit dem langen verstrickenden Faden der Eumeniden, nach meiner Vorstellung, gut verbinden würde. Was den Schluß betrifft habe ich gestern schon meine Meinung gesagt. Übrigens hatte ich in meiner Anlage nichts weiter was Sie in Ihrem Gedicht brauchen können.

http://www.wissen-im-netz.info/literatur/goethe/briefe/schiller/300/356.htm

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