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Dienstag, 7. Juni 2011

Wie man zu sagen pflegt: Von welchen Phrasen der Schriftsteller keinen Gebrauch machen sollte


Sie müssen keine modernen Stilratgeber lesen, schon Johann Wolfgang von Goethe veröffentlichte eine Liste von Redensarten, welche der Schriftsteller vermeidet, sie jedoch dem Leser beliebig einzuschalten überläßt*:

Aber
Gewissermaßen
Einigermaßen
Beinahe
Ungefähr
Kaum
Fast
Unmaßgeblich
Wenigstens
Ich glaube
Mich deucht
Ich leugne nicht
Wahrscheinlich
Vielleicht
Nach meiner Einsicht
Wenn man will
Soviel mir bewusst
Wie ich mich erinnere
Wenn man mich recht berichtet
Mit Einschränkung gesprochen
Ich werde nicht irren
Es schwebt mir so vor
Eine Art von
Mit Ausnahme
Ohne Zweifel
Ich möchte sagen
Man könnte sagen
Wie man zu sagen pflegt
Warum soll ich nicht gestehen
Wie ich es nennen will
Nach jetziger Weise zu reden
Wenn ich die Zeiten nicht verwechsle
Irgend
Irgendwo
Damals
Sonst
Ich sage nicht zu viel
Wie man mir gesagt
Man denke nicht
Wie natürlich ist
Wie man sich leicht vorstellen kann
Man gebe mir zu
Zugegeben
Mit Erlaubnis zu sagen
Erlauben Sie
Man verzeihe mir
Aufrichtig gesprochen
Ohne Umschweife gesagt
Geradezu
Das Kinde bei seinem Namen genannt
Verzeihung den derben Ausdruck

*Die Schreibweise dieser Wörter ist der heutigen angepasst

In seiner Nachbemerkung schreibt Goethe:
Vorstehende Sammlung, die sowohl zu scherzhaften als ernsten Betrachtungen Anlaß geben kann, entstand zur glücklichen Zeit da der treffliche Fichte noch persönlich unter uns lebte und wirkte. Dieser kräftige entschiedene Mann konnte gar sehr in Eifer gerathen, wenn man dergleichen bedingende Phrasen in den mündlichen oder wohl gar schriftlichen Vortrag einschob. So war es eine Zeit, wo er dem Worte: gewissermaßen einen heftigen Krieg machte. Dies gab Gelegenheit näher zu bedenken, woher diese höflichen, vorbittenden, allen Widerspruch des Hörers und Lesers sogleich beseitigenden Schmeichelworte ihre Herkunft zählen. Möge diese Art Euphemismus für die Zukunft aufbewahrt seyn, weil in der gegenwärtigen Zeit, jeder Schriftsteller zu sehr von seiner Meinung überzeugt ist, als daß er von solchen demüthigen Phrasen Gebrauch machen sollte.
(Johann Wolfgang Goethe: Deutsche Sprache. In Über Kunst und Alterthum, Dritten Bandes erstes Heft. Cottaische Buchhandung 1821, S. 52ff.)

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